Der FREI DAY ist ein Lernformat von Schule im Aufbruch.

Der FREI DAY kommt nach Baden-Württemberg!

Zum Schuljahr 2023/24 kommt der FREI DAY nach Baden-Württemberg, die Regionakoordination übernimmt Anja Engerer. Sie hat selbst langjährige Erfahrungen als Pädagogin und kennt die Schwierigkeit, die Vision guten Lernens mit den realen Bedingungen zusammenzubringen. Im FREI DAY sieht sie das Potenzial, dieser Vision einen wichtigen Schritt näher zu kommen.

Liebe Anja, herzlich Willkommen im Schule im Aufbruch-Team! Stell dich doch mal vor.

Ich bin Anja Engerer, 50 Jahre alt und lebe seit 1991 im schönen Freiburg, wo ich nach einem sozialen Jahr Lehramt für Grund- und Hauptschule mit den Fächern Deutsch und Sachunterricht an der Pädagogischen Hochschule studierte. 

Und wie bist du von deiner Arbeit als Lehrerin zu Schule im Aufbruch gekommen?

Ich interessierte mich schon während meines Lehramt-Studiums an der PH Freiburg für alternative Schul- und Lernformen und engagierte mich in alternativen Wohn- Kultur und Politikzusammenhängen

Durch die langjährige Mitarbeit in einer freien demokratischen Schule hatte ich die glückliche Möglichkeit, mich auf eine spannende Entwicklungsreise hin zu freiem Lernen, Begegnung auf Augenhöhe und einer auf Selbstbestimmung und Respekt ausgerichteten Bildung in einem selbstverwalteten Projekt zu begeben. Von dort zu der Vision von Schule im Aufbruch ist es gar nicht so weit. Und dann habe ich mich noch einmal umorientiert.

Erzähl!

Nach 16 Jahren und einer mich sehr bewegenden Weiterbildung zur systemischen Beraterin und Familientherapeutin wollte ich auch gerne mit Menschen in anderen Lebenssituationen arbeiten: Kinder und Jugendliche in einem kreativen Lernprojekt begleiten, deren Biografie oft von Beziehungsabbrüchen, negativen Erfahrungen mit Schule, Erwachsenen oder schwierigen Lebensbedingungen geprägt war – denn auch und ganz besonders in solch schwierigen Lebenssituationen braucht es eine vertrauensvolle Begleitung mit Blick auf Stärken, Selbstbestimmung und Lösungskompetenzen der Menschen.

All diese wertvollen Erfahrungen habe ich auch immer wieder in leider sehr kräfteraubenden und einschränkenden Strukturen innerhalb des Bildungs- und Hilfesystems gemacht. Zugleich habe ich ein privates Projekt gestartet, das mir das Potenzial von systemischem Denken vor Augen führt: Ich baue in Spanien eine Finca nach Prinzipien der Permakultur mit Blick auf Ressourcenschonung und natürliche Kreisläufe der uns umgebenden Natur auf und um. Diese neuen wertvollen Erkenntnisse und Erfahrungen haben mich darin bestärkt, auch beruflich nochmals neue Wege in Richtung Veränderung zu gehen.  

Mit welcher beruflichen Vision gehst du also in deine Aufgabe als FREI DAY-Koordinatorin?

Mein Wunsch ist es, meine beiden beruflichen Herzensangelegenheiten – eigenverantwortliches Lernen mit viel Freiraum und Partizipation und dem systemischen Ansatz in Begleitung und Veränderungsprozessen – in einem lebendigen Arbeitszusammenhang miteinander verbinden zu können. Das heißt: Lernen und Bildung auf anderer Ebene zu verändern, Erwachsene in ihrem Prozess der Transformation zu begleiten und Schulen auf dem Weg hin zu zukunftsorientierten Lern- und Lebensräumen zu unterstützen, ist nun im Rahmen der FREI DAY Bundeslandkoordination in Baden-Württemberg meine neue Aufgabe. Ich freue mich sehr auf Aufbruch, Neues Lernen, Kennenlernen, Begleiten, Vernetzen und Verbinden! 

Was hast du dir für die nächste Zeit vorgenommen, um den FREI DAY nach Baden-Württemberg zu bringen? 

Im Vordergrund steht für mich, das Begleitprogramm „FREI DAY im Ländle“ mit den engagierten Kolleg*innen zu starten. Dazu möchte ich inhaltlich Impulse setzen und durch intensive Beratungsgespräche den Einführungs- und Veränderungsprozess in den Teams unterstützen, um so den FREI DAY im Lauf des Jahres an die Schulen zu bringen. Einige Schulen im Bundesland sind schon erfahren in der Umsetzung des FREI DAY. Die möchte ich gerne näher kennenlernen und als Expert*innen zu den Werkräumen und Treffen einladen.

Hier wünsche ich mir gute Verbindung und Austauschmöglichkeiten mit mir als Bundeslandkoordinatorin und auch der Schulen miteinander, um voneinander lernen zu können und sich gegenseitig zu stärken. Ich freue mich sehr auf die Seminare, aber auch auf die Gespräche mit den einzelnen Schulteams, um jede Schule bei ihrem individuellen Prozess zu begleiten und natürlich auf  spannende Einblicke in eine lebendige Schulkultur in Baden-Württemberg.

Was ist dein bisheriges Feedback: Was interessiert Lehrkräfte aus Baden-Württemberg an dem Lernformat FREI DAY besonders?

Die Motivation, die ich bisher von unterschiedlichen Kolleg*innen erfahren habe, ist einerseits die Vision einer tiefgreifenden und notwendigen Veränderung des Bildungssystems und besonders des Lernortes Schule, andererseits jedoch gleichzeitig der dringende Wunsch, mehr Freiraum für die Entfaltung von Potenzial und eigenständigen Lernerfahrungen für Kinder und Jugendlichen zu kreieren, statt die großen Bildungsaufträge unserer Zeit weiterhin in einen proppenvollen Lehrplan zu integrieren.

Für einige der Kolleg*innen ist der FREI DAY eine tolle Möglichkeit, selbstverantwortliches, projektorientiertes Arbeiten im Rahmen der Globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung und der Agenda 2030 umzusetzen.

Für andere bietet das Lernformat einen konkreten, niederschwelligen Einstieg in einen Veränderungsprozess auf dem Weg zu neuer Lern- und Schulkultur und letztlich auch für die Gestaltung einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Gesellschaft, deren Mitglieder die großen Herausforderungen der Zukunft bewältigen können. Immer wieder erlebe ich auch Frustration und Schmerz über die Kluft zwischen den Werten der Pädagog*innen bezüglich ihres eigentlichen Auftrages und den Realitäten in der konkreten Arbeit innerhalb der Institutionen. 

Und mit dem FREI DAY kommen Lehrer*innen der Erfüllung ihrer Werte wieder ein Stück näher?

Ja, in jedem Fall. Für die Kolleg*innen werden, trotz der für den Einführungs- und Veränderungsprozess benötigten Geduld, Zeit- und Kraftressourcen von Anfang an auch positive, bereichernde Erfahrungen durch die andere Art des Lernens und die vielfältig erlebbaren Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen spürbar sein. Viele der schon mit dem FREI DAY arbeitenden Lehrer*innen erfahren die veränderte Rolle der Lernbegleitung als befreiend und entlastend.

Die Art der Zusammenarbeit mit den Projektteams und die regelmäßigen Reflexionsgespräche ermöglichen eine vertiefende Beziehung zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen, die den Blick auf Wirksamkeit, Lernprozesse und Stärken der Kinder und Jugendlichen ausrichtet.

Für viele ist diese Haltung eine wichtige Grundlage ihres Berufsbildes und der erschaffene Raum für sinnstiftendes, kreatives Lernen und Handeln wird als Freude und Bereicherung wahrgenommen. Doch bedeutet das “Loslassen” der vertrauten, klassischen Rolle für manche auch Unsicherheit, Aushalten und Abwarten.

Eine Öffnung und Veränderung der eigenen, gewohnten Haltung bedeutet hier die Chance zur persönlichen Auseinandersetzung und Weiterentwicklung innerhalb der sozialgesellschaftlichen Herausforderungen und der Aufgabe als Lehrer*in, Pädagog*in oder Schulleiter*in. Nicht zuletzt ermöglicht eine lebendige, lernende Schul- und Bildungsgemeinschaft, vernetzt mit NGOs, Kommune, externen Expert*innen und Institutionen den Lehrer*innen auch, ein authentisches Vorbild für lebenslanges voneinander und miteinander Lernen auf Augenhöhe zu sein!

Und wie profitieren die Schüler*innen?

Am FREI DAY entscheiden die Schüler*innen selbst, wofür sie sich interessieren und an welchen Themen und Projekten sie arbeiten wollen. Es sind die Kinder und Jugendlichen, die in den Mittelpunkt des Lernens gestellt werden. Am FREI DAY können Lehrer*innen endlich fragen: Was interessiert dich? Was sind deine Themen? Wofür brennst du? Was bereitet dir Sorgen? Wo willst du dich einbringen? 

Es gibt Raum für neues Denken, Handeln und Fühlen, neue Rollen können z. B. innerhalb der Projektgruppen oder auch der partizipativen Gestaltung des FREI DAY ausprobiert werden.

So können Kinder und Jugendliche sich mit ihren Leidenschaften und Talenten einbringen oder neue entfalten. Die jungen Menschen erleben sich als wichtige, ernst genommene und wirksame Akteur*innen in der Umsetzung von Lösungen für sie konkret umgebende Probleme und so als mutige Gestalter*innen einer nachhaltigen Gesellschaft. Mit dem FREI DAY können Kinder und Jugendliche ihre Projekte in ihrer Nachbarschaft und Kommune in die Tat umsetzen. Die Projekte der Schüler*innen, die bereits einen FREI DAY an ihrer Schule haben, zeigen die vielfältigen Möglichkeiten und Potenziale. Es gibt schon zahlreiche wunderbare Beispiele von FREI DAY-Projekten! Mit dem FREI DAY schaffen Schulen einen FREI-Raum für Kinder und Jugendliche, in dem sie in etwas Neues hineinspringen und sich ausprobieren können. Keine Vorgaben von Lehrer*innen, kein Curriculum und keine Benotung durch Klausuren, Referate oder Plakatvorstellungen.

Durch das eigenständige Arbeiten im Team an selbst gewählten Fragen und mit dem Ziel einer konkreten Umsetzung macht Lernen und Tun in der Schule Spaß, macht Sinn und motiviert! Es geht nicht länger um den Lehrplan; es geht nur um die jungen Menschen und ihre Ideen. Sie werden die Schule mit dem Wissen verlassen: Ich zähle. Auf mich und meine Fähigkeiten kommt es an.

Mit welchen Inhalten des FREI DAY-Programms unterstützen wir die Lehrer*innen und Schüler in BaWü?

Im Schuljahr 2023/24 erhalten Schulen aller Schulformen ein umfangreiches Qualifizierungs- und Begleitprogramm, das ihre Schulentwicklungsteams und Pädagog*innen ab Herbst 2023 bei der Einführung des FREI DAY unterstützt. Teilnehmende Schulen werden intensiv bei der Vorbereitung und Umsetzung eines Probedurchgangs in einer oder mehreren Lerngruppen begleitet und können dabei wertvolle Erfahrungen von erfahrenen FREI DAY-Schulen sammeln. Zusätzlich sind Lehrkräfte von Schulen, an denen der FREI DAY bereits in einigen Lerngruppen durchgeführt wird, herzlich eingeladen, sich hier auszutauschen und Fragen zu stellen.

Das Programm "FREI DAY im Ländle" umfasst folgende Bausteine und Angebote:

  • / eine digitale Auftakt-Veranstaltung
  • / 5 digitale, zweistündige (Mikro-) Fortbildungen in Form von interaktiven Werkräumen
  • / Einladungen zu zwei Netzwerktreffen der FREI DAY Schulen in Baden-Württemberg in Präsenz
  • / zu Beginn ein individuelles Zielgespräch, im Verlauf individuelle Beratung & Prozessbegleitung nach Bedarf
  • / Unterstützung bei Informationsveranstaltungen für die Schulgemeinschaft
  • / Unterstützung bei der Vernetzung mit regionalen und nationalen außerschulischen Bildungsakteur*innen im Bereich BNE
  • / Zeitplanung

Was brauchen die Schulen zum Start in den FREI DAY ?

Zuoberst benötigt die Einführung des FREI DAY natürlich die Offenheit der Erwachsenen, neue Rollen anzunehmen und schrittweise den freiheitlichen Umgang im lernenden Miteinander zuzulassen, denn nur so können sie als Vorbilder und Lernbegleiter*innen den Kindern und Jugendlichen auch die Freiheit in ihren Lernprozessen zutrauen und zumuten.

Für diesen ersten Schritt in eine Veränderung der Lern- und Schulkultur braucht es von allen Beteiligten ein Ziel, eine Vision mit einem starken “WARUM”, viel Mut, bestimmt auch langen Atem und die Fähigkeit zu Kollaboration, Netzwerkqualitäten und Andersdenken. 

Damit der FREI DAY schulübergreifend gut ankommt, sollte wahrscheinlich auch die Schulleitung Teil des Prozesses sein, oder?

Ja, sicher. Für den Start in eine Pilotphase und die Teilnahme am Begleitprogramm brauchen die interessierten Kolleg*innen natürlich die Rückendeckung der Schulleitung und eine grundlegende Bereitschaft, handlungsorientierte BNE-Formate, sowie eine partizipative Ausgestaltung des Whole School Approach stärker im Schulalltag zu verankern. Informierung und Abstimmung der Teilnahme mit den relevanten schulischen Gremien ist ebenso Grundvoraussetzung.

Und welche formalen Voraussetzungen braucht es?

Für die Zusammenarbeit im Begleitprogramm und den gemeinsamen Prozess braucht es von jeder Schule die Benennung einer Ansprechperson für die digitalen Fortbildungen „FREI DAY-Werkräume“ – gerne aus dem Schulentwicklungsteam – und die kontinuierliche Teilnahme von mindestens einer FREI DAY-Ansprechperson an diesen Werkräumen. Außerdem ist die Teilnahme an der digitalen Auftaktveranstaltung und den beiden Netzwerktreffen Pflicht. Mit der Teilnahme am FREI DAY-Programm ist auch die Mitgliedschaft im „Netzwerk Schule im Aufbruch e. V.“ Teilnahmebedingung. Hier kann ein ganzes Team oder eine Einzelperson Mitglied werden.

Wie können Interessenten mit dir in Kontakt kommen?

Über den Kalender können sie sich über die aktuellen Termine in Baden-Württemberg informieren und direkt anmelden. Die nächsten Online-Infoabende finden am 7. und 13. September 2023 statt. Und natürlich können sie mir bei Fragen auch gerne eine Mail an anja.engerer@schule-im-aufbruch.de schreiben.

TOP 3 Fragen, die in den Infoabenden zum FREI im Ländle gestellt wurden:

/ Wie setzen wir den FREI DAY in vier Stunden pro Woche um, ohne den Lehrplan zu vernachlässigen? 

/ Wie schaffen wir es, dass die Jugendlichen den neuen Freiraum nutzen, mitarbeiten und kooperieren? 

/ An einer Grundschule klappt das sicher. Aber geht das auch wirklich an einem Gymnasium oder einer Realschule?

Und was hast du den Teilnehmenden geantwortet?

Auf alle diese Fragen gibt es eine sehr positive Antwort: der FREI DAY kann sehr gut unter all diesen Bedingungen funktionieren. Aber: Es gibt leider kein Patentrezept und auch keine allgemein gültige Antwort auf diese Fragen. Wichtig ist, dass jede Schule für sich und passend zu den dort vorhandenen Bedingungen einen FREI DAY  plant und umsetzt. Den besten Rahmen dafür bietet unser FREI DAY-Länderprogramm. Best Practice Beispiele von Schulen aller Schulformen gibt es zahlreiche, also: Nur Mut!

FREI DAY im Ländle

Seit dem Jahr 2020 haben bereits mehrere Schulen in Baden-Württemberg den FREI DAY eigenständig eingeführt. Jetzt wird es Zeit, den FREI DAY auch an deine Schule zu bringen. Bewerbt euch jetzt dafür! Alle Informationen zum Programm findest du hier.